Ich nehme an, jeder halbwegs vernünftige Mensch geht, wenn der schönste Tag im Lebens ansteht, gesittet in ein Brautmodengeschäft und lässt sich dort einkleiden. Aber warum immer neu kaufen, wenn schon so viele Schätzchen in den Schränken schlummern?

Nehmen wir einmal dieses zauberhafte Abendkleid aus Seide, das eine liebe Freundin von mir zu ihrer Hochzeit getragen hat. Es wurde mir anvertraut „falls ich es noch brauchen könnte“, und was soll ich sagen: so viel Vertrauen verpflichtet! Es sollte auch mein Hochzeitskleid werden.
Das Kleid war mir allerdings eine Nummer zu groß, und die Seide durchaus empfindlich. Am besagten Hochzeitstag vor einigen Jahren hatte es in Strömen geregnet, sodass die Braut in einem Plastikcape die Kirche betreten musste – die Seide durfte keinen Tropfen Wasser abbekommen. Das wollte ich für meinen Oktober-Termin beim Standesamt nicht riskieren. Praktischerweise ist das „Kleid“ aber eigentlich ein Zweiteiler aus einer Corsage mit Neckholder und einem Rock, was einiges an Flexibilität lässt.
Einfach mit Abnähern zu arbeiten, fand ich keine gute Lösung, da das Oberteil sehr schön mit olivbrauner Seide gefüttert war und ich mir das Einhalten der Symmetrie von Außenstoff und Futter beim Abnähen nicht so ganz zutraute. Also habe ich das Ganze komplett aufgetrennt und die Einzelteile bei niedriger Temperatur gebügelt.

Die Schnittteile habe ich einzeln abgepaust und aus einem Probestoff noch einmal ausgeschnitten, alles auf der Schneiderpuppe wieder zusammengesetzt und abgesteckt und getrimmt, bis es passte.

Die verkleinerten Schnittteile habe ich wieder auf Papier gepaust und neu aus dem Original-Stoff ausgeschnitten.

Das Kleid war in seinem ersten Leben eine Maßanfertigung gewesen, und wie ihr vielleicht bemerkt habt, waren die meisten Kanten nicht versäubert. Wahrscheinlich nicht schlimm für etwas, das ohnehin nur selten getragen und gereinigt wird. Trotzdem war mir das Ganze eine etwas zu fransige Angelegenheit, sodass ich die Säume noch mit der Overlock versäubert habe. Ich hatte etwas Bedenken gehabt, dass die versäuberten Nähtzugaben sich auf der Vorderseite abzeichnen könnten, aber zum Glück war das nicht der Fall.

Das Oberteil hatte ursprünglich einen Reißverschluss an einem der Seiten-Säume. Aber irgendwie habe ich beim Stichwort „Hochzeitskleid“ schon immer von einer eleganten Knopfleiste geträumt. Also habe ich die angefallenen Stoff-Schnipsel von der Verkleinerung des Oberteils genutzt, um ein paar Knöpfe zu überziehen:

Insgesamt hat es für 12 Knöpfe gereicht. Blieb noch das Problem der Leiste. Ich hatte dazu ein wenig im Internet recherchiert und mir im Nähladen ein fertiges Knopfband besorgt. Dieses war aber leider eine ziemliche Enttäuschung: es franste sehr stark, die Knopflöcher verzogen sich schnell, und die Knopf-Ösen waren nicht groß oder elastisch genug, um ohne Probleme über meine überzogenen Knöpfe zu passen.

Ich wollte schon entnervt den Reißverschluss wieder einnähen, als ich zum Glück über eine Youtube-Anleitung von der Dressmaking Academy stolperte, die zeigte, wie man sich ein solches Knopfband selbst herstellen kann.
Das Prinzip ist simpel wie genial: 1. Man nimmt ein Stück Karo-Papier und steckt Nadeln jeweils in der Hälfte des gewünschten Abstands der Knöpfe hinein. 2. Dann wird ein Gummiband zwischen den Nadelköpfen entlanggeschlängelt und 3. die entstehenden Schlaufen mit einem Band (ich habe eins aus Satin genommen) fixiert, indem man einmal geradeaus drüber näht. Die Nadeln können jetzt entfernt werden. 4. Das Papier an der entstandenen Perforation vorsichtig abreißen und 6. die Schlaufen zur Sicherheit noch einmal mit kurzer Stichlänge festnähen, damit sie nicht verrutschen. 7. Zum Schluss kann das Band noch umgeschlagen und im Zickzackstich gesichert werden, und fertig ist das selbstgemachte, größenangepasste Knopfband.






So sah die Knopfleiste dann fertig eingenäht aus:

Und die Knöpfe passten jetzt auch ohne Probleme hindurch.

Das Oberteil war damit so gut wie fertig.

Da ich das rückenfreie Oberteil nicht mit BH-Trägern verunzieren wollte, aber im Nähladen keine einnähbaren Cups in meiner Größe finden konnte, habe ich einen BH „geopfert“ und eingenäht. Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob das die schlaueste Idee war, da die Drähte sich schon etwas durchdrücken. Aber es war das beste, das mir einfiel.

Der lange ausgestellte Rock war mir, bei besagter Nässe-Empfindlichkeit, ein bisschen zu riskant. Also habe ich mir nach einer Anleitung von A Beautiful Mess einen einfachen Tellerrock mit acht Lagen Tüll genäht. Die ganze Prozedur war wirklich etwas messy – es sah aus, als ob eine Wolke auf dem Nähtisch gelandet wäre.

Zusammengesetzt sah beides dann so aus:

Ein bisschen wie die Kleine Tänzerin von Degas, aber die ist mir eigentlich ganz sympathisch 🙂


Oktober bleibt Oktober, auch wenn wir am Ende wirklich Glück mit dem Wetter hatten. Also habe ich mir zur Sicherheit noch ein Jäckchen genäht, und zwar aus einem schönen bunten Sari-Stoff.


Das Schnittmuster war hier der Bolero H/W 2009 #7686C von Burdastyle.

Die Reste des Jacken-Stoffs haben noch für eine Fliege gereicht… diesmal keine zum Selberbinden, sondern eine „Clip-On“-Version, die noch weniger Stoff verbraucht. Die Anleitung dafür gibt es bei so-sew-easy.

So war dann alles fertig für den Gang zum Standesamt, ganz nach dem englischen Sprichwort:
Something old, something new,
something borrowed, something blue,
and a silver sixpence in her shoe.


Anstelle des silver sixpence hat mir der Strumpfhosen-Laden einen Glückspfennig geschenkt!

Wie habt ihr eure Hochzeit ‚bestritten‘?
Liebe Eva, herzlichen Glückwunsch meinerseits und ich muss sagen die ganze Mühe mit dem Kleid hat sich absolut gelohnt, ein Träumchen mit dem pinkfarbenen Bolero 🙂
Liebe Grüße
Bianca
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Vielen Dank, liebe Bianca 😃
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Sehr schön! Wie Du den Bolero aus Sari-Seide genäht hast (gefüttert/unterlegt?),würde mich auch noch interessieren. Hab seit Jhren wunderschöne gebrauchte Sariseide in der Warteschleife und traubmich nicht dran…sie ist so dünn und reisst schnell…
Ich dinde das Kleid absolut sommertauglich und würde es genauso wieder anziehen, dann wars wenigstens nicht nur für einen Tag!
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Hallo Antje, vielen lieben Dank! ❤️ Ja, ich hoffe, das Set noch ein paar Mal anziehen zu können, weil es nicht ganz so „hochzeitig“ ist 🙂
Das Problem mit den schönen, aber dünnen Sari-Stoffen kenne ich… Der Bolero ist aus einer recht robusten Dupionseide, sodass ich den Stoff diesmal nicht unterlegt habe. Das Futter ist ein Standard-Acetatfutter – ich füge noch ein Bild hinzu, das das Innenleben zeigt.
Wenn Dein Stoff sehr dünn und fließend ist, könntest Du vielleicht auch ein weiter geschnittenes oder gewickeltes Teil daraus nähen, bei dem die Nähte nicht so stark belastet werden? Den Faltenwurf finde ich bei Sari-Stoffen immer besonders schön, ich träume noch von einem Wickelkleid…
Viele Grüße! Eva
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