Braucht man mitten in Niedersachsen ein Dirndl? Eigentlich nicht. Aber man kann trotzdem mal eins nähen. Vor allem im Oktober, wo alle Kaufhäuser mit den Dingern vollhängen, oder?
Die Idee zu einem etwas ungewöhnlichen Trachtenkleid hatte ich schon vor einiger Zeit. Vor drei Jahren, um genau zu sein. Da war ich für eine längere Zeit in Südindien und total beeindruckt von den wunderschönen traditionellen Stoffen und Kleidern, allen voran natürlich den Saris.
Schade, dass wir so etwas nicht haben, dachte ich mir damals.

Oder doch? Zwischen Saris und Dirndls bestehen doch gewisse Gemeinsamkeiten… nicht nur, dass sie schon auf den ersten Blick ihren Kulturkreis repräsentieren. Auch praktisch gesehen sind sie irgendwie Seelenverwandte. Die Auswahl der Stoffe ist sehr wichtig, egal, ob es sich um feine Seide für Saris oder teure Leinen- oder Lodenstoffe (oder ebenfalls Seide) für ein Dirndl handelt. Es gibt bestimmte typische Stoffmuster und ikonische Schnitte bzw. Wickelmethoden. Beide Kleidungsstücke sind nur mit einer speziellen Bluse komplett. Und in einem gut ausgesuchten Sari bzw. Dirndl sieht einfach jede Frau, egal welche Figur, gut aus.
Also sollte doch auch die Mischung gut funktionieren, oder?
Aus Indien habe ich mir einige Stoff-Souvenirs mitgebracht und auch immer wieder zum Thema Dirndl/Sari-Crossover im Internet gestöbert.

Tatsächlich gibt es dazu jede Menge Anregungen. Verschiedene Blogger, Maßateliers und eine wachsende Zahl von Start-Ups schneidern ganze Dirndls aus einem einzigen Sari (immerhin sind das ja an die 4,5 m Stoff). Einen „funktionalen“ Sari zu zerschneiden, würde ich allerdings momentan noch nicht wagen. Was einsatzbereit in meiner Wollkiste schlummerte, waren nur Baumwollstoffe mit breiter Webmuster-Kante und kein teurer Sari (Stoffe sind in Indien relativ günstig, aber ein echter Seidensari fängt erst bei 80-100 Euro an). Außerdem wollte ich eine Kombination von Materialien aus beiden Traditionen. Mein Langzeit-Wolkenkuckucksheimprojekt brauchte also noch einen weiteren Anstoß. Der kam hier vor ein paar Wochen in einem Kleiderkarton an, ein Trachtenkostüm, das mir meine Tante aus Bayern vermacht hat:
Etwas altmodisch war es ja schon, bereicherte aber meine Stoffsammlung um trachtentypischen Leinen- und Baumwollstoff und damit gab es keine Ausrede mehr.

Also munter drauflos, mit einem vom Dirndl meiner Mutter abgenommenen Schnitt…
Die Naivität des Anfängers hat mir in diesem Fall wohl geholfen. Wenn ich gewusst hätte, wie knifflig so ein Mieder wirklich ist, hätte ich wahrscheinlich gar nicht erst angefangen.
Viele Abnäher später nahm das Mieder langsam Form an.
Die nächste Hürde wartete schon um die Ecke: Der Rock. Unperfekt drauflos gestiftelt….
…. aber das wird ja irgendwann hoffentlich gnädig von einer Schürze verdeckt. Also als nächstes Mieder und Rock vernäht. Erst einmal natürlich falsch herum, alles wieder aufgetrennt, beim zweiten Mal passte es zum Glück. Außer, dass die Stiftelnähte vorn nicht wirklich aufeinandertreffen. (Macht nix. Schürze drüber. Schürzen sind doch was Tolles 😀 )
Als letztes habe ich das Futter des alten Trachtenkostüms wieder eingenäht. Wie ihr seht, war mir selbst das Etikett zu schade zum Wegwerfen. Eine kurze Panik hatte ich noch kurz vor Schluss, weil ich dachte, dass ich den Rock viel zu kurz abgeschnitten hätte. Aber wenn man das Mieder schön dirndltypisch weit nach unten zieht, passt es wieder.
Nach einer Woche Grübeln, Schnippeln, Nähen und Auftrennen (sehr, sehr viel Auftrennen) habe ich jetzt das „Basis-Kleid“ fertig.
Hier noch die vorläufigen Tragefotos.
Bislang kann ich sagen, dass ich bei diesem Projekt, so viele Nerven es mich kostet, schon ungeheuer viel gelernt habe. Kein Wunder, dass Dirndl als eine dieser klassischen „Nähübungen“ gelten! Zwar habe ich mich aus Unwissheit bestimmt nicht an alle klassischen Methoden gehalten und ganz klar hat das Ergebnis seine Macken. Aaaber… ich habe Paspeln produziert, einen versteckten Reißverschluss eingenäht und 2m Stoff für den Rock gebändigt. Darauf bin ich schon einmal stolz.
Jetzt muss ich erst einmal verschnaufen und einen Stoff für meine Schürze finden. Leider sind mir meine anderen Stoffsouvenirs dafür zu bunt, das Kleid ist jetzt schon etwas schrill.
Watch this space!
- Teil 2: Dreierlei Schürzen
- Teil 3: Dirndlbluse
Verlinkt auf der Link-Party #18 von SewLaLa.
Also schrill ist es nun wirklich nicht 🙂 Aber WUNDERSCHÖN!!! Ehrlich ein Traum von Kleid. Ich bin ganz neidisch. Das steht dir wahnsinnig gut.
Liebe Grüße
Antje
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Vielen lieben Dank, Antje 😊 da werde ich ja ganz verlegen. Naja, es ist etwas bunter als so Creme- und Pastelltöne, die für ‚gediegene‘ Dirndls verwendet werden, aber farbenfroh ist ja auch nicht immer verkehrt 😄
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Schaut toll aus und kann man so nirgends kaufen. LG Elke
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Vielen Dank, liebe Elke! So ist es, einer der Vorteile vom Nähen 🙂
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