An Schlechtwettertagen gibt es verschiedene Optionen: Museum, Bücherei, Sofa, und hier in Großbritannien kommt noch der National Trust dazu. Diese Organisation kümmert sich um zahlreiche Bau- und Naturdenkmäler. Am besten bekannt ist sie für die vielen alten Landsitze und Herrenhäuser, mit denen die englische Landschaft übersät ist und die dank des National Trusts für jedermann zum Zeitreisen geöffnet sind. Am letzten Wochenende haben wir eins dieser Häuser besucht, Sudbury Hall in Derbyshire.
Das Haus ist im 17. Jahrhundert kurz nach der Restoration der englischen Monarchie erbaut worden und blieb bis ins 20. Jahrhundert im Besitz der Familie Vernon, der auch immer noch das angeschlossene kleine Dorf (vormals von den Haus-Bediensteten bewohnt) und die umgebenden Ländereien gehören. Berühmtester Bewohner war Königin Adelaide, Gemahlin von König William IV, die das Haus in der Mitte des 19. Jahrhunderts für einige Jahre als Witwensitz nutze.
Wie viele dieser alten Familiensitze enthält Sudbury Hall eine Mischung von architektonischen Details und Einrichtungsgegenständen aus den unterschiedlichsten Jahrhunderten. Die beeindruckendesten Räume stammen aus dem 17. Jahrhundert, als unter anderem ein riesiges Treppenhaus und eine beeindruckende lange Galerie mit Stuckdecke eingerichtet wurden.
Der wahrscheinlich beabsichtigte Wow-Effekt der Galerie wurde an unserem Besuchstag allerdings durch jede Menge Gerüste etwas abgeschwächt…
Andere Räume wirkten dagegen eher spartanisch, was wohl auch daran liegt, dass viele der Möbelstücke von der Familie verkauft wurden, bevor das Haus an den National Trust ging. Manchmal fühle ich mich bei Besuchen solcher Landhäuser etwas traurig, dass ich wohl nie in einem so schönen, geschichtsträchtigen Gebäude leben werde – diesmal war ich allerdings heilfroh, dass dies nicht der Fall ist. An einem grauen Februartag war das ganze Gemäuer entsetzlich feucht und kalt, an fast allen Fenstern zog es… wir haben uns hinterher zum Aufwärmen ins Café in einem der ehemaligen Ställe geflüchtet, wo es deutlich gemütlicher war.

Mehr zur Rolle von Sudbury Hall in der Serie gibt es hier.
Und jetzt zur Musterjagd. Seit meiner Teenager-Zeit bin ich von Mustern fasziniert. Meine Liebe dazu begann mit keltischen Knoten, die ich mit Eselsgeduld in Karohefte kopierte. Mittlerweile sammele ich Muster aus allen Perioden, und die National-Trust-Häuser sind dafür oft wahre Fundgruben. Sudbury House ist keine Ausnahme, trotz der stellenweise kargen Einrichtung. Es gibt chinesisches Porzellan, viktorianische Blümchentapeten und als i-Tüpfelchen kurz vor Schluss des Randgangs eine liebevoll gearbeitete, unfertige Patchworkdecke, auf der noch die Bleistiftstriche zu sehen sind, mit denen die Position der Blumen und Insekten eingezeichnet worden ist.
Die Muster habe ich in Photoshop-Pinsel verwandelt – man weiß ja nie, wann man sie nochmal brauchen kann.
An das Haus angeschlossen gibt es das Museum of Childhood, in dem jede Menge Spielzeug und Objekte mit Kindheitsbezug zusammengetragen sind. Da wir an einem Schulferientag dort waren, war es brechend voll mit Familien und wir haben nur einen kurzen Rundgang gemacht.
Das Museum ist ganz auf Kinder zugeschnitten, überall gibt es Sachen zum Anfassen und Ausprobieren. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die vielen unangenehmen Aspekte von Kindheit in der Vergangenheit wie Kinderarbeit oder die hohe Sterblichkeit zwar erwähnt und auch mit Ausstellungsstücken illustriert, aber nicht besonders in der Vordergrund gerückt werden. Typisch für die englische entspannte Art des Umgangs mit ihrer Vergangenheit gibt es einen Nachbau eines viktorianischen Kamins, in dem die Kids als „Schornsteinfeger“ herumkrabbeln können. Davor gab es eine richtige Schlange. (Deutlich über Sichthöhe der Kinder informiert eine Tafel darüber, wie viele Kinder sich bei dieser Arbeit verletzten oder sogar starben.)
Es gibt aber auch ein sehr berührendes Exponat: Zwei identische Puppen, eine sehr abgenutzt, die andere noch fast neu. Sie gehörten zwei Schwestern, Edith und Selina. Selina starb als Siebenjährige. Ihre Puppe wurde danach nicht mehr zum Spielen benutzt und blieb wie neu. Traurig.
Ein paar alte Bekannte gab es auch. Ich wusste gar nicht, dass der Struwwelpeter auch in England die Kinder verschreckt hat, vor allem schon 1848.
Und ich musste feststellen, dass einige alte Bekannte meiner Kindheit in den 90ern wie Polly Pockets oder Furbys jetzt auch schon museumsreif geworden sind… die Zeit verfliegt.
Viele Grüße von der Insel!
Eure Eva
Was für ein toller Ausflug! „Mustersuche“ mache ich auch ständig, Inspiration für alle möglichen Projekte 🙂
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Ja, genau, die beste Inspiration ist doch die Welt um einen herum 🙂
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